In einem oder mehreren Bereichen hochbegabt zu sein ist eine so wunderbare Sache – erfüllenden Kontakt und glückliche Beziehungen scheint sie aber nicht automatisch mit sich zu bringen. Manchmal, so könnte man meinen, ist fast das Gegenteil der Fall. Der Weg zum anderen erscheint wie unüberbrückbar.

Hochbegabung geht mit einer Fülle von Faktoren einher, die Kontakt eigentlich begünstigen: Feinfühligkeit für das Gegenüber, gutes Zuhören, Respekt vor vielfältigen Sichtweisen, hohe Konzentration auf den Menschen und die Begegnung (sofern ablenkende Faktoren wie Hintergrundgeräusche oder Lichteffekte wegfallen), Humor und Einfallsreichtum, Ernsthaftigkeit und tiefes Nachdenken über den Austausch (besonders, wenn Introversion im Spiel ist), vielfältige eigene Erfahrungen, die mit dem aktuellen Gespräch verknüpft werden können… sind das nicht DIE Gesprächspartner, die sich jeder nur wünschen kann?

Auch wenn es natürlich hochbegabte Menschen gibt, die sich alles andere als feinfühlig geben, vielmehr eine arrogant wirkende Fassade aufgebaut haben und den Eindruck vermitteln, weit, weit weg von sich und anderen zu sein, tragen Hochbegabte doch ein beeindruckendes Kontaktpotential in sich. Einige können es auch leben, viele jedoch erscheinen mehr als scheu und oft auch auf berührende Weise ungeschickt, wenn sie berichten, wie ihnen im Innersten wirklich zumute ist, während sie sich nach außen verzweifelt mühen, „die Form zu wahren“.

Warum nur? Die Antworten darauf führen in ein so weites Feld, dass wir es hier nur nach und nach erschließen können.

Zunächst ist mir ein Aspekt wichtig, den ich nicht nur fachlich spannend finde, sondern von dem ich auch glaube, dass er sich mit Bewusstheit und Selbstbeobachtung relativ leicht selbst beeinflussen lassen könnte. Schauen Sie doch einmal näher hin.

Hochbegabte senden nämlich

a) in Mimik, Körperhaltung und Gestik oft auffallend wenig bestätigende Signale an ihren Gesprächspartner,

b) stattdessen sogar in bestimmten Phasen Zeichen starker nonverbaler Abwehr.

 

Ich beginne mit Letzterem, denn Druckentlastung hat im Akuten immer Vorrang, und hier spielt der Druck in Form von “Overload” die Hauptrolle:

Ist Ihnen schon einmal an anderen Hochbegabten aufgefallen, dass sie plötzlich im Gespräch beginnen, auf ihrem Stuhl herumzurutschen, scheinbar grundlos ihren eigenen Körper an verschiedenen Stellen berühren oder wild an der Kleidung zupfen, dass sie wegsehen, wenn Sie gerade etwas Wichtiges erzählen oder dass der Blick plötzlich glasig wird? Dass Sie – statt einer Antwort – längere Zeit ausdruckslos angestarrt werden, bevor dann, mit einem Ruck, ein Satz kommt, dessen Bezug zum Gesagten nicht selten, hmm, nicht ganz leicht zu erschließen ist? Oder dass ein sonst lebendiger und ausdrucksvoller Mensch fast wie erstarrt erscheint, während Sie erzählen – und Sie sich fragen, ob er überhaupt noch anwesend ist?

Kennen Sie es vielleicht auch von sich selbst, dass Sie mitten im spannenden Teil eines Gesprächs am liebsten aufspringen würden, um einmal durch den Raum zu rennen, um so etwas Spannung loszuwerden und wieder besser denken zu können? Dass Sie es angestrengt unterdrücken, weil Sie denken „Das geht ja jetzt nicht!“ und dann nicht mehr zuhören können, dafür urplötzlich aufs Klo müssen oder Ihnen etwas ganz, ganz Wichtiges anderes einfällt…?

Wenn einem als Gesprächspartner solche “Phänomene” entgegengebracht werden, dann ist Irritation natürlich durchaus verständlich 😉 . Selbst wenn man ähnlich tickt, … wir möchten ja irgendwie alle das Gefühl bekommen, dem anderen so wichtig zu sein, dass man seine volle Energie und Aufmerksamkeit erhält. Man will eben einfach spüren, dass man gehört, gesehen und ganz verstanden wird.

Diese Phänomene im Verhalten der Hochbegabten sind jedoch alles andere als eine böse Absicht. Sie gehen meist auf eine akute Übererregung zurück, die reguliert werden muss, damit Wahrnehmung und Nervensystem wieder ins Gleichgewicht kommen und die Aufmerksamkeit sich überhaupt wieder auf die Aufnahme neuen Inputs richten kann. Ihr Gehirn ist im Arbeitsspeicher buchstäblich überlastet, so dass die notwendigen komplexen Verarbeitungsleistungen nicht reibungslos ablaufen können. Das ist ganz natürlich und gehört zum hochreagiblen Gehirn wie das Ausatmen zum Einatmen. Es gibt verschiedene Wege, Überreizung einerseits vorzubeugen als auch sie wieder abzubauen. Und ebenfalls, das Erlebte auf gesunde Weise zu integrieren.

Doch selbst, wenn Sie damit noch keine Erfahrung haben, Ihnen das Verhalten vielleicht bei sich selbst nur in zarten Ansätzen bewusst ist, haben Sie auch jetzt schon wunderbare Möglichkeiten, sich zu entlasten und gleichzeitig Ihrem Gesprächspartner die Irritation zu nehmen. Vielleicht sogar für ein gemeinsames herzliches Lachen zu sorgen, und mehr noch, ihm ein gutes Gefühl für den Kontakt zwischen Ihnen zu vermitteln. Von einer entspannten, offenen Gesprächsatmosphäre werden schließlich beide profitieren.

Das gilt natürlich nur dann, wenn der Kontakt an sich ein für Sie wünschenswerter ist. Falls Sie sich mit diesem Menschen grundsätzlich so abwehrend fühlen, sollten Sie sich das genauer anschauen. Wollen Sie die Begegnung überhaupt? Falls nein, wären aktiv beziehungsfördernde Signale natürlich nicht sinnvoll.

Falls Sie den Menschen mögen und schätzen, probieren Sie einmal – im privaten Bereich – folgenden Dreischritt. Ich nenne ihn

„Die drei W´s der schnellen Entlastung“:

  1. Bewusst Wahrnehmen: Oh, ich werde unruhig!
  2. Würdigen (mit einem tieferen Ein- und Ausatem): Sagen Sie zu sich selbst: „Das ist ok! Das hat bestimmt Gründe! Es ist ok!“
  3. Wenden Sie sich zum Gesprächspartner bewusst hin, schauen Sie ihn an, vielleicht berühren Sie ihn oder sie sogar ganz leicht am Arm. Sagen Sie dann etwas wie: „Ich finde das so spannend, was du erzählst (falls das stimmt)…“ oder „Ich möchte so gern weiterreden, und es ist mir wichtig, was du sagst, …“ UND JETZT: „ …und dafür muss ich einmal ganz kurz aufspringen und aufs Klo (vor die Tür, durch den Raum…) rennen, denn es ist so aufregend grade!“ Oder wahlweise, falls Sie sich besser kennen und einigermaßen sicher sein können, dass der andere das versteht: „ … mich einmal schütteln, mal kurz ein paar Stimmen machen oder dich mal schnell umarmen, wenn du erlaubst…!“

Seien Sie dabei ruhig humorvoll oder emotional etwas farbiger, so dass der andere sich leicht in Sie hineinversetzen kann. Aber handeln Sie früh genug, damit Sie nicht schon zu sehr unter Dampf stehen! 🙂

Wenn Sie dann von Ihrer kurzen wie auch immer gearteten Entlastungstour zurückkehren, bedanken Sie sich bei Ihrem Gegenüber für das Verständnis – und setzen Sie jetzt das Gespräch konzentriert fort. Seien Sie für eine Weile ganz bei ihr oder ihm, während Sie spüren, wie gut es tut, wieder Raum zu haben – wie gut es tut, ehrlich zu seinen Bedürfnissen zu stehen! Und wie schön Kontakt dann sein kann.

Es empfiehlt sich außerdem fast immer, mit Menschen, die Ihnen etwas bedeuten, in einem entspannten Moment über die eigenen Besonderheiten zu sprechen, offen und natürlich, im Sinne einer Selbstmitteilung „Mir ist an mir aufgefallen, dass ich … immer wenn… . Das ist überhaupt nicht gegen dich oder gegen die Leute gerichtet, mit denen ich gerade zusammen bin, das hat nur damit zu tun, dass ich …“

Probieren Sie es aus! Wenn ein Mensch ehrlich an Ihnen interessiert ist, wird er oder sie wissen wollen, wie Sie fühlen. Er wird Sie verstehen wollen, genau so, wie Sie sind – und ebenso, wie Sie interessiert wären, mehr aus seiner Innenwelt zu erfahren. Stimmige Selbstoffenbarung vertieft die Beziehung.

Falls Sie hier auf Distanz oder Unverständnis stoßen, möglicherweise auch auf mangelnde Flexibilität oder fehlende Lust am Spontanen, dann sind auch das ja wichtige Informationen für Sie. Sie können entweder in den Dialog über die wechselseitigen Bedürfnisse kommen oder erkennen, dass der Kontakt wohl nicht so stimmig ist. Dann wird der Weg frei für neue, passendere Begegnungen.

 

Sie erinnern sich, es fehlt noch Punkt a) von oben: Die fehlenden bestätigenden Signale an den Interaktionspartner. Hierzu folgt mehr im nächsten Post.

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Herzliche Novembergrüße, die optimale Zeit eigentlich, um zusammenzurücken und Licht und Wärme in Beziehungen zu bringen. Dabei ganz viel Freude!
Kontakt Hochbegabung Hamburg Coaching

Ihre Mantradevi

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