Ängste Sinn Veränderung Vor ein paar Tagen habe ich mein Moskitonetz wieder ausgepackt. Ich dachte, ich bräuchte es dieses Jahr nicht mehr, aber eine Mücke, tatsächlich nur eine, will die nun kühleren Nächte ganz offensichtlich mit mir verbringen und ihren Nachwuchs mit meinem, aus Mückensicht vorzüglichen, Gruppe-Null-Blut füttern. Dagegen wäre ja nicht viel einzuwenden, wenn mich das beständige Summen nicht wachhalten und sich in meinen halbbewusten Zustand so tief eingraben würde, dass ich es auch tagsüber, weit weg von der kleinen Mücke, immer wieder “höre”… nun gut, ich holte also das gerade ordentlich verpackte Netz wieder hervor.

Jetzt ist das Summen etwas weiter weg 😉 , ich bin noch immer wach, erlebe aber eine kontinuierliche Flut wunderschöner Erinnerungen an meine Indien-Reisen … an die Nächte und die Mittagshitze unter ebendiesem Baldachin der Traveller, daran, wie ich mich dort fühle, was ich schon alles erlebt und gesehen habe, wem ich begegnet bin, wie unmittelbar meine Erlebnisse und Einsichten dort oft sind, und ich bin recht glücklich so.

Was mir dabei des Nachts jedoch am meisten bewusst wird, ist die große Veränderung, die ich durchlebe. Und wenn ich mich umschaue, dann ist eindeutig, dass ich nicht alleine bin.

Worum geht es in diesem Veränderungsprozess? Für mich persönlich klar um das Loslassen aller Einflüsse, die nun wirklich ausgedient haben. Es soll mehr Raum für Neues, Substanzielles, Weites, “das Eigentliche” entstehen!

Gilt das auch kollektiv? Vielleicht. Wir werden vermutlich erst rückblickend erkennen können, welcher Prozess sich hier exakt vollzieht, aber er entscheidet, davon bin ich überzeugt, über unser Leben. Gelingt es, dass wir das wiederentdecken, was unser Leben erhält, was Substanz und die Kraft hat, uns und andere zu schützen? Oder verfallen wir unserer Gier, dem Hass, unseren Ängsten?

Veränderung macht unsicher. Das Vertraute entgleitet einem unaufhaltsam, und man weiß nicht, was kommen wird. Das fühlt sich schlimm, bisweilen bedrohlich an. Wo Unsicherheit entsteht, kommt deshalb schnell die Angst. Ich hatte in den letzten 2 Jahren einen sprunghaften Anstieg von Angststörungen in meiner Praxis zu verzeichnen, der mich sehr überrascht hat. Was ist los, dass sich in unserem vergleichsweise so sicheren Land abrupt und heftig die Ängste melden? Gerade bei den jungen Menschen…

Ich persönlich bin zwar sehr empfindlich, allerdings weniger gegen zwei Dinge: Ängste und Schlafstörungen. Ich nähre sie nicht, nein, aber weil ich schon so viel davon er- und überlebt habe, beschäftigen sie mich kaum. Habe ich sie möglicherweise irgendwie lieben gelernt? Egal, ich akzeptiere es einfach, sie von Zeit zu Zeit als vorübergehende Zustände zu durchleben und mache jedesmal dabei neue und interessante Erfahrungen.

Aber was kann ich den akut angsterfüllten Menschen sagen, die zu mir kommen? Jenseits aller therapeutischer Techniken brauchen wir Heilkundler und Coaches auch eine Haltung zum inneren und äußeren Geschehen, ebenso wie zum Sinnzusammenhang, den wir ihm geben. Jede Ausnahmesituation auf die Probleme, möglichst noch “Ursachen” in der frühen Kindheit zu reduzieren, reicht natürlich schon lange nicht mehr.

Was ich wichtig finde:

  • Ängste und Unsicherheiten begleiten jeden, wirklich jeden Veränderungsprozess! Wir können das Potential dahinter nur freisetzen, wenn wir uns den Ängsten stellen. Das darf sanft gehen, schrittweise, konzeptgeleitet und mit Begleitung, ok, aber der oder die AngstbesitzerIn braucht die tiefe und kraftvolle Entschiedenheit hindurchzugehen. Nur dann macht es Sinn. Hinter den Ängsten liegen unsere größten Kräfte und Gaben, seien Sie sicher. Die Ängste sind wie ein Bollwerk, das uns dagegen abschirmen soll. Wenn wir verstehen, WOZU sie dienen wollen, geht der Weg sogleich weiter. Dennoch, wir werden in den meisten Fällen intensiver und lange eingespielter Ängste unsere ganze Entschlossenheit aufbringen müssen, um den Weg zu gehen. Aber dann kommen wir an unser Ziel, und es ist die pure Befreiung.
  • Ängste gehören dazu, solange wir leben. Wenn Sie z.B. die Yoga-Sutras von Patanjali lesen, dem ersten Psychologen der Geschichte, wie die großen Yoga-Meister sagen, lesen Sie auch über die Angst vor dem Tod, die jedes Lebewesen besitzt. Mit anderen Worten: Die Angst kann uns auch am Ende unseres Lebens wieder begegnen! Ob wir das wollen oder nicht, wird in dem Moment möglicherweise keine Rolle spielen. Dann, so können wir pragmatisch folgern, wäre es doch sinnig, das Ganze möglichst vorausschauend gut zu üben. Es optimiert unsere Chancen… (Ich hoffe, Sie verzeihen mein nüchternes Denken in diesen Dingen), und es kommt uns zudem praktisch jeden Tag zugute.
  • Wir sind dann hilfreicher für uns und andere, wenn wir mit den fraglichen Gefühlen in uns selbst in Kontakt sind. In Kontakt, ohne dass sie uns überfluten. Sei es in der professionellen Situation, sei es in der Familie oder mit Freunden, Sie werden dieses Prinzip im Umgang mit Angst wahrscheinlich schon erlebt haben. Versucht die Mutter dem ängstlichen Kind unter dem unkontrollierten Einfluss eigener Panik einzureden, dass wirklich, wirklich alles gut ist und es doch keine Angst haben muss (“!!!”) , wird das Kind vollends den Halt verlieren. Lässt sie das Gefühl hingegen gar nicht an sich heran und spricht aus einer (abgespalten) sicheren Warte, hat es denselben Effekt. Die Angst eskaliert. Der Halt, der so dringend gebraucht wird, entsteht nur im Kontakt. Kontakt mit dem Gegenüber wird nur möglich sein, wenn man zuvor den Kontakt mit sich selbst aufbaut. Und wenn man speziell Angst nicht fühlen will, ist der Schritt in Ablehnung, Dogmatismus und Gewalt ganz nah. Will man etwas in sich selbst nicht spüren, bekämpft man nicht nur die vermeintliche Ursache, man bekämpft auch alles, was nur entfernt daran erinnert. Ist die Angst sehr groß, kann es sein, dass einem jedes Mittel recht ist…
  • Ich HABE eine Haltung zum Geschehen (eine spirituelle übrigens), und die kann richtig oder falsch sein, darum geht es nicht. Aber dass ich eine Haltung habe, erlaubt mir, Menschen dabei zu begleiten, ihre EIGENE Haltung zu erforschen. Wenn ich als Gegenüber in meinem Leben, meinem Sinnempfinden, meiner Kraft verankert bin, ist es für den anderen Menschen viel leichter, sich sich selbst zuzuwenden. Es ist leichter, den Blick nach innen zu richten und den so sehr gefürchteten Gefühlen und Zuständen zu begegnen, leichter, darauf zu vertrauen, dass es irgendwo etwas gibt, das ihn auffangen wird, dass irgendwann ein neuer Boden unter seinen Füßen entstehen wird – und zwar aus ihm oder ihr selbst heraus! Es ist schwer genug, aber so wird es möglich.

Vielleicht haben auch Sie eine Haltung zum Sinn oder zur verborgenen Chance in unserer aktuellen Veränderung… in der ein oder anderen Form. Was bewirkt es, wenn Sie sich diese bewusst machen? Gibt es Kraft? Gewinnen Sie Sicherheit? Was sagt Ihr Organismus dazu, welche Haltung Ihnen am meisten dient, Ihnen und anderen am meisten Spiel- und Entfaltungsraum gibt?

 

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Ganz herzlich grüßt Sie – und den kleinen norddeutschen Moskito –

Mantradevi

 

 

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